Patrick Woessner
Reisen

One-Way-Ticket trotz Corona-Pandemie

Die Koffer packen und in den Flieger setzen? Für viele ist das während der Corona-Pandemie undenkbar. Jedoch nicht für Patrick Woessner. Er bucht sich ein Ticket – aber nicht um Urlaub zu machen, sondern um auf die Kanarische Insel La Palma auszuwandern.

„In Deutschland ist eine gewisse Schockstarre eingetreten und ich habe für mich gemerkt: Die Zeit ist reif. Es ist ein guter Moment, um das jetzt anzupacken“, erinnert sich der Webentwickler. Mit dem Gedanken auszuwandern spielt er schon länger. Im September 2020 ist es dann so weit: Der 34-Jährige hängt seinen Bürojob an den Nagel. Innerhalb von sieben Tagen plant er seine Auswanderung. Um eine Wohnung auf La Palma zu finden, hat die Zeit nicht gereicht. Er muss sich vor Ort auf die Suche begeben.

Was für Patrick Woessner „ziemlich schnell über die Bühne“ ging, bedarf bei vielen Auswander*innen einer langen Planung. Dabei können Beratungsstellen wie die Evangelische Auslandsberatung in Hamburg helfen. Hier berät Uta Witte schon seit über 25 Jahren Auswander*innen und Rückkehrer*innen – auch in Zeiten der Pandemie. „Während der ersten Welle, gab es reihenweise Absagen. Alle haben stillgesessen und nur darauf gewartet, dass die Welle vorbei geht und man sich wieder rühren kann“, berichtet sie. Jetzt seien die Beratungsanfragen wieder auf dem Stand von vor der Corona-Krise. „Ich habe momentan zwei Monate Vorlaufzeit bei den Terminen“, erzählt die 59-Jährige. In der Beratung empfiehlt sie immer, schon mehrmals in der Region gewesen zu sein, in die man auswandern möchte.

Ein Kriterium das Patrick Woessner erfüllen kann. Er war schon öfter auf La Palma, denn er ist in seinem Leben schon viel gereist. Bevor er in Deutschland als Angestellter arbeitete, machte er sich selbstständig und zog als digitaler Nomade durch die Welt. Seinen Arbeitsplatz konnte er sich zu dieser Zeit selbst aussuchen. Das Einzige was er damals brauchte, war ein Laptop, Strom und Internet – einen festen Wohnsitz jedoch nicht. Dieser Lebensstil ermöglichte es Patrick in mehr als 20 Länder zu reisen. Oft blieb er nur ein bis zwei Monate am gleichen Ort und zog dann wieder weiter. „Ich war viel unterwegs und habe mich auch gerne auf den Kanaren – insbesondere La Palma – aufgehalten.“ Doch auch andere Faktoren waren für die Auswanderung ausschlaggebend: „Ich kenne auch schöne Orte außerhalb von Europa. Aber dann hat man diese ganze Visums- und Aufenthaltstitel-Thematik, die teilweise nicht ganz so einfach ist. Das Schöne an La Palma ist: Es ist tropisch, etwas abgelegen und trotzdem noch ein Teil von Europa. Man kann sich relativ einfach niederlassen, ohne große bürokratische Hürden.“

Um die Wohnung hat sich Patrick Woessner vor Ort gekümmert. „Bisher habe ich in meinem Leben die Erfahrung gemacht, wenn man sich darauf einlässt, dann funktionieren die Sachen überraschend gut“, begründet er seinen Optimismus. Und tatsächlich: Nach drei Wochen auf La Palma findet er eine Wohnung. Ganz so einfach ist das in vielen Fällen jedoch nicht. Uta Witte berichtet: „Gerade der Wohnungsmarkt auf einer touristischen Insel ist sehr stark eingegrenzt. Wir kennen das aus deutschen Städten wie Hamburg, München und Berlin. Da lohnt es sich eher eine Wohnung an Touristen zu vermieten, als einen Dauermietvertrag an jemanden zu vergeben, der im Verhältnis wesentlich weniger zahlt.“

Aus Erfahrung weiß sie: „Die größte Hürde ist, dass Auswander*innen in ihrer neuen Heimat ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.“ Für Patrick Woessner ist das kein Problem: Als selbstständiger Webentwickler ist er nicht auf den Arbeitsmarkt von La Palma angewiesen, denn seine Kunden kommen hauptsächlich aus Deutschland. „Wenn man hier hin auswandern möchte, muss man sich seine Arbeit im Prinzip mitbringen“, rät er im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage. Seit der Corona-Pandemie ist die Tourismusbranche – und damit der größte Wirtschaftszweig auf den Kanaren – eingebrochen. Im Oktober 2020 lag die Arbeitslosenquote laut Teneriffa News bei 21,15 Prozent. Damit ist mehr als jeder Fünfte erwerbslos. Besonders hart trifft es Jugendliche unter 25 Jahren. Von ihnen hat mehr als jede*r Zweite keinen Arbeitsplatz.

Diese Lage kann finanzielle Bedenken hervorrufen. Uta Witte ermutigt ihre Klient*innen: „Jemand, der Rücklagen hat und es probiert, kann sagen: Ich habe es versucht.“ Auswander*innen werden außerdem von ihr schon im Vorhinein auf eine mögliche Rückkehr vorbereitet: „Ich sage vielen, sie sollen nicht gleich an immer denken, sondern sich das Ganze erstmal für ein oder zwei Jahre vornehmen.“ Wenn innerhalb dieser Zeit beispielsweise alle Ersparnisse aufgebraucht werden, sei es aber wichtig, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen.

Probleme, die Patrick Woessner aktuell nicht belasten. Er ist sehr glücklich, mit seiner Auswanderung und bereut das One-Way-Ticket nach La Palma nicht: „Es war im Prinzip ein Bauchgefühl. Das hat sich einfach richtig angefühlt.“

Anita Stall

Journalistin (B.A.)

Ein Kommentar

  • mikeosterath

    Im jungen Alter, ungebunden und mit ortsunabhängigem Job … perfekt! Sicherlich keine schlechte Entscheidung! Deutlich schwieriger ist es natürlich für Familien mit ortsabhängigem Job. Aber in jungen Jahren mit den o.g. Rahmenbedingungen … Klasse!
    (-:

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